Warum pilgern Menschen? Bevor ich mich selbst intensiv auf meine Reise vorbereitet habe, war mir das gar nicht so klar. Es gibt viele Gründe, sich als Pilger auf den Weg zu machen. In diesem Artikel habe ich mich an dem Blog-Motto 12 Dinge orientiert und 12 Gründe, warum Menschen pilgern, für dich zusammen gestellt. Das eine oder andere mag dich vielleicht überraschen. Am Ende verrate ich dir noch, was meine persönliche Motivation für den Jakobsweg ist. Was erhoffe ich mir vom Weg und welche Erwartungen habe ich an die Reise?
Warum Pilgern Christen?
Wenn wir über das Pilgern auf dem Jakobsweg sprechen, gibt es ein Ziel, das alle Pilger eint. Denn egal aus welchem Grund: Alle pilgern nach Santiago de Compostela, genauer gesagt zur Catedral de Santiago de Compostela. Hier sollen die Überreste des biblischen Apostels Jakobus begraben sein.
Grund 1: Christen pilgern auf dem Jakobsweg zum Zeichen der Verehrung des Apostels Jakobus.
Oder weiter gefasst: zum Zeichen der Treue ihres christlichen Glaubens.
Manche erhoffen sich durch den Weg auch die Vergebung ihrer Sünden. Sie wollen Buße tun. Andere hoffen auf die Heilung einer Krankheit und die Nächsten wollen mit den Strapazen, die sie auf sich nehmen, ein Zeichen der Dankbarkeit setzen.
Grund 2: Manche müssen den Pilgerweg zur Strafe gehen.
Im späten Mittelalter wurde die Strecke auch als Strafe auferlegt. Hoffentlich werde ich den Weg im Laufe der Zeit nicht auch als solche empfinden.
Gibt es nur religiöse Beweggründe zu pilgern?
Heutzutage – und das nicht erst seit Hape Kerkeling – gibt es immer mehr Menschen, die “den Jakobsweg gehen”. “Den Jakobsweg” gibt es in dem Sinne nicht. Vielmehr existiert ein Netzwerk aus Pilgerpfaden, das sich über ganz Europa erstreckt. Santiago de Compostela ist heute das populärste Ziel für Pilger in Europa. Dabei scheinen jedoch religiöse Motive nur noch eine untergeordnete Rolle zu spielen. Bei meinen Recherchen, warum Menschen pilgern, sind mir vor allem die folgenden Motive begegnet.
Grund 3: Als Pilger kann man die Landschaft genießen und Zeit in der Natur verbringen.
Versteht man die Pilger-Reise als Aktiv-Urlaub, kommt einem schnell in den Sinn, dass es vielleicht auch einfach nur darum gehen kann, viel frische Luft zu atmen. Zweifelsfrei bewegt man sich auf der bisher unbekannten Route im Freien und entdeckt dabei die Landschaft fremder Landstriche. Ich werde den Caminho Português ab Porto laufen und darf in meinem Fall Portugal und Spanien entdecken.
Dabei freue ich mich aktuell vor allem auf das Wetter. Doch als Naturliebhaber bin ich auch gespannt darauf, wie es ist, so viel Zeit alleine in der Natur zu verbringen. Da ich mich bei meinem Weg für die Küstenvariante entschieden habe, werde ich zudem in den ersten Tagen das Meer sehen. Darauf freue ich mich besonders.
Grund 4: Pilger erhalten einen Einblick in fremde Kulturen.
Ich habe mir fest vorgenommen, zumindest ein paar Brocken der portugiesischen und spanischen Sprache zu lernen. Inwieweit man darüber hinaus Einblicke in die Kulturen erhält, finde ich fraglich.
Ein kultureller Aspekt wurde jedoch in meinem Wanderführer* bereits häufiger angesprochen.
Grund 5: Nicht zuletzt kann man beim Pilgern auch eine kulinarische Reise erleben.
Natürlich macht man sich vor dem Antritt der Reise so seine Gedanken, was die Verpflegung angeht. Gerade für mich als Foodie und dazu nach Veganerin ist das ein Thema von besonderer Bedeutung. Doch als ich den Wanderführer zu meinem Caminho Português* las, wurde so häufig über Speis und Trank geschrieben, das bei mir der Eindruck entsteht, dies wäre eine Hauptmotivation für Pilger.
So kommt man offenbar nicht am Portweinkeller in Porto vorbei, unterwegs gibt es Bacalhau und jeder Abend klingt bei einem lokalen Rotwein aus.
Grund 6: Der Pilgerweg stellt eine körperliche Herausforderung dar und wird als sportliche Aktivität geschätzt.
Ob man Wandern oder Walking nun als Sportart betrachtet oder nicht, eines steht fest: Wenn man wochenlang jeden Tag zig Kilometer und in Summe hunderte Kilometer Strecke hinter sich bringt, dann macht das etwas mit deinem Körper.
So kann es eine Motivation sein, die eigenen Grenzen des Körpers zu erfahren. Für mich ist dieser sportliche Aspekt definitiv einer der Hauptgründe für die Pilger-Reise. Ich bin gespannt darauf zu sehen, wie mein Körper und insbesondere meine Füße auf die Beanspruchung reagieren.
Vor einige Zeit habe ich einmal gehört, dass 3,5 Stunden sportliche Betätigung in der Woche empfehlenswert sind, um die Gesundheit zu fördern. Bei einer täglichen Strecke von durchschnittlich 25 km und einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 5 km/h werde ich keine Probleme haben, dieses Ziel zu erreichen.
Welche Effekte wird dies auf meine Gesundheit und Fitness haben? Oder bin ich am Ende gar nicht in der Lage, eine solche Strecke zu Fuß zu bewältigen und muss abbrechen? Ich bin gespannt.

Grund 7: Als Pilger ist man Minimalist.
Minimalismus ist so trendy wie nie. Blogs, Podcasts und Influencer zu dem Lifestyle-Trend sprießen aus dem Boden. Es scheint für mich so, als wäre “weniger besitzen” der neue Reichtum.
In einer Gesellschaft, in der es oft nach der Devise “höher, schneller, weiter” geht und man sich in vielen Kreisen mit materiellen Status-Symbolen behaupten muss, erscheint die Reduzierung befreiend.
Als Pilger führt man ein bescheidenes Leben. Das Getränk der Wahl ist Wasser, man schläft auf einem Feld- oder Etagenbett im gemischten Schlafsaal und hat nur wenig Besitztümer bei sich. Viele der Fragen, die unseren Alltag sonst verkomplizieren, stellen sich hier nicht. Was soll ich nur anziehen? Wanderhose und T-Shirt würde ich mal sagen.
Das schafft Erleichterung und trägt zur Entspannung bei. Manch einer merkt vielleicht während so einer Reise, wie wenig man zum Glücklichsein braucht, und überdenkt danach seinen Lebensstil. Ob es mir auch so gehen wird?
Grund 8: So wird dann die Pilger-Reise zum Low-Budget-Urlaub.
Auch wenn diese Betrachtungsweise sicher nicht im Sinne der katholischen Kirche ist.
Grund 9: Der lange Weg zu Fuß bringt Entschleunigung.
Nicht nur in Bezug auf Unterkunft und Besitz werden dem Pilger viele Entscheidungen abgenommen. Auch der Alltag ist relativ bescheiden. Eine Vorstellung, die ich unglaublich reizvoll finde. Ich gehe. Zwischendurch wird gegessen und nachts geschlafen. Am nächsten Tag beginne ich von vorne. Das höchste der Gefühle ist der Austausch mit anderen Pilgern beim Abendessen oder vielleicht ein bisschen Hörbuch-Hören. Nicht einmal lesen ist eine Option, da Bücher das Gewicht des Rucksacks zu sehr in die Höhe treiben würden.
Viele verbinden die Reise auch mit einem Digital Detox und lassen ihr Smartphone zu Hause oder zumindest ausgeschaltet. Dadurch entsteht eine Pause von der Reizüberflutung unserer Zeit. Kein Terminkalender, keine Anrufe, keine E-Mails. Viele Stressoren meines Alltags werden mich auf der Reise nicht begleiten und ich bin froh darüber.
Dadurch das man nur zu Fuß von einem Ort zum nächsten gelangt, ist das Pilgern auch automatisch Slow Travelling. Man kommt langsam und achtsam voran. Dies bietet die Chance sich auf jeden Ort einzustellen und einzelne Sehenswürdigkeiten bewusst zu genießen, statt sie in Masse regelrecht abzuarbeiten. Ich bin besonders gespannt, wie ich in dieser Hinsicht den Grenzübergang von Portugal nach Spanien erleben werde.
Grund 10: Pilger meditieren durch das Gehen.
Die Stille der Natur gepaart mit den gleichförmigen Tagesabläufen und das einfache Gehen können zu einer Geh-Meditation verschmelzen und sehr entspannend wirken.
Nicht wenige Pilger praktizieren zudem am Morgen oder Abend auch die Sitzmeditation.
Die spirituelle Suche auf dem Weg
Spiritualität ist die neue Religion. So scheint es zumindest auf dem Jakobsweg zu sein. Auch wenn religiöse Motive für einen Großteil der Pilger keinen großen Raum einnehmen, sprechen doch viele von der Magie des Jakobsweges.
Grund 11: Viele Pilger erhoffen sich eine spirituelle Erfahrung.
Es gibt Pilger, die wollen eine persönliche Krise lösen. Sie haben vielleicht zuvor einen geliebten Menschen verloren oder wollen eine Trennung verarbeiten. Manche nutzen die Reise auch bewusst als Neuanfang, zum Beispiel nach dem sie eine Krankheit überwunden haben. Andere stehen wie zum Beispiel Studierende in ihrem Leben an einem Scheideweg und wollen ihre Gedanken sammeln. Und Rentner ziehen Bilanz über ihr bisheriges Leben.
Die Suche nach sich selbst kann viele Gründe haben und sie ist einer der Hauptgründe für viele Pilger. Auch ich erhoffe mir, dass ich die Zeit allein nutzen kann, um mir über ein paar Dinge klarzuwerden.
Dabei sollte man nicht außer Acht lassen, dass auch in der Begegnung zu anderen Pilgern sehr viel Kraft stecken kann. Wenn viele aus einem persönlichen Grund auf dem Weg sind, dann können sich tiefgründige Gespräche ergeben. Diese regen an und geben neue Impulse, motivieren und inspirieren. Wir sollten nie vergessen, dass unsere Mitmenschen unsere größte Ressource sind und das wir ihnen genauso viel zurückgeben können. Einen solchen Austausch erhoffe ich mir und ich bin gespannt, wem ich begegnen darf.
Jeder Pilger hat seine Gründe und jeder Grund hat seine Berechtigung
Wie du siehst, sind die Gründe zu Pilgern so vielfältig wie die Menschen selbst. Ich möchte tolerant und offen den Weg beschreiten und mich auf meine Pilgerbrüder und -schwestern einlassen.
Grund 12: Beim Pilgern kann man andere Pilger treffen und seinen Horizont erweitern.
Was ich mir von dem Pilgerweg erhoffe
In den obigen Ausführungen habe ich mich zu den einzelnen Motiven geäußert und dir ist bestimmt aufgefallen, dass für mich mehrere Aspekte zusammen kommen.
Eines überwiegt jedoch ganz deutlich: die Abenteuerlust. Mich fasziniert einfach die Vorstellung, morgens loszulaufen und nicht zu wissen, wo ich am Abend sein werde, wem ich begegnen und was ich erleben darf. Wenn ich so darüber nachdenke, frage ich mich, was das wohl mit mir machen wird.
“Es ist eine gefährliche Sache, aus deiner Tür hinauszugehen. Du betrittst die Straße und wenn du nicht auf deine Füße aufpasst, kann man nicht wissen, wohin sie dich tragen.”
― The Fellowship of the Ring
Man sagt, jeder Pilger weiß vor Beginn der Reise nicht, was die Erfahrung mit ihm machen wird. So einzigartig die Beweggründe für den Pilgerweg sind, so einzigartig sind auch die Menschen, die einem begegnen. Ich werde unterwegs vielen Pilgern begegnen und jeder einzelne kann mein Herz berühren. Ich hoffe darauf, mir selbst begegnen. Und manch einer traf auch Gott.
Die Frage, die mich beschäftigt ist dieses Mal nicht, welche Spuren ich hinterlassen will, sondern vielmehr, welche Spuren der Weg wohl bei mir hinterlassen wird.
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Du brauchst einen ebook reader 🙂 Dann ist auch das Gewicht der Bücher kein Problem mehr. Ich wünsche dir, dass du das findest was du auf dem Weg suchst. Bom Camino!
Danke, Mel! Meinen ebook reader werde ich auch nicht mitnehmen. Das angestrebte Gewicht ist sehr gering. Zur Packliste folgt diese Woche noch ein Beitrag. 😀